Das aktuelle Kriegsregime bedeutet das Ende der falschen Erzählung einer gewaltlosen bürgerlichen Gesellschaft. Die Militarisierung des Lebens seit Beginn des Ukrainekrieges bringt die Gewaltförmigkeit der kapitalistischen Gesellschaften ins Offene. Die materielle Gewalt des Eigentums führt verstärkt auch in reichen Ländern zu Armut, Ausgrenzung, Rassismus, Antifeminismus und Antisemitismus. Staatliche Souveränität äußert sich zusehends in ethnischen Volksbegriffen mit entsprechenden Ausschlüssen. Die weltweite Situation bedarf eines gemeinsamen vielfältigen Widerstandes, eines Antimilitarismus auf der Höhe der Zeit. Im Ersten Weltkrieg trafen sich 1915 linke Kriegsgegnerinnen in Zimmerwald und positionierten sich gegen den Krieg und für eine sozialistische Gesellschaft. Diese Verknüpfung von Antimilitarismus und Sozialismus ist bis heute relevant. Die aktuelle Linke ist davon weit entfernt. Sie favorisiert angesichts der währenden Krisen und Kriege mehrheitlich ein binäres Weltbild von Gut und Böse und verheddert sich in den Fallstricken der (inter)nationalen Solidarität. Radikale Nationalismus- und Staatskritik sind angesichts der dominanten Kriegsrhetorik wichtiger denn je. Die aktuelle Gewalt geht weltweit nicht nur von Staaten, sondern auch von rechten und faschistischen Strömungen aus, die am Kriegsregime wachsen. Auch das Verhältnis zur Natur ist ein gewaltförmiger Zugriff, der auf die Individuen und ihre Beziehungen zurückfällt. Das liberale Verständnis dieses Verhältnisses findet sich bereits in der naturrechtlichen Legitimation kolonialer Landnahme und transatlantischer Versklavung. Die bürgerliche Gesellschaft ist in ihrem Staat und ihrer Ökonomie, in ihrem Kolonialismus und ihrem Naturverhältnis konstitutiv gewaltförmig. Linke Gewalt sollte Gewalt beenden, aber konnte häufig der militärischen Logik nicht entkommen. Ob gewaltfreier Widerstand ein erfolgreicheres Konzept wäre oder Gegengewalt und Gewaltfreiheit im Widerstand verbunden sind, sind Fragen, denen wir uns ebenfalls widmen werden. Mit unserer Reihe wollen wir zum Antimilitarismus beitragen, ohne binäre Muster oder staatliche Logiken zu reproduzieren.