Exil der »materiellen Interessen«
Kapitalismus und Subjekt in Joseph Conrads Nostromo
Joseph Conrad steht sowohl für die schärfste zeitgenössische literarische Kritik des Imperialismus als auch für den rassistischen Blick auf die vom Kolonialismus unterworfenen »Anderen«. Diese Ambivalenz durchzieht vor allem die postkoloniale Rezeption von Conrads Werk, das Edward Said mit Blick auf dessen Roman Nostromo als »sowohl imperialistisch als auch antiimperialistisch« bezeichnete. Die Figuren Conrads sind oft selbst durch moralische Ambivalenz gekennzeichnet, die Reisen in seinen Romanen und Novellen führen immer auch in die Abgründe und Untiefen des modernen Subjekts. Die Erfahrung des gebürtigen Polen und später naturalisierten Engländers Conrad mit dem Exil und einer ruhelosen, diasporischen Existenz ist ein weiterer Grund für seine Aktualität in der postkolonialen und postmodernen Kulturtheorie. In seinem vielleicht komplexesten Roman Nostromo wirft Conrad nicht nur einen bemerkenswerten Blick auf die Zusammenhänge von kapitalistischer Modernisierung und Imperialismus. Er führt auch vor, wie die »materiellen Interessen« das durch sie vorgeblich verbürgte liberale Glücksversprechen für die Subjekte real zunichte machen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Frage nach einem metaphorisch erweiterten, subjektkritischen Exilbegriff in Conrads Roman stellen.