Utopie und Architektur
Der „Nicht-Ort“ der Utopie (altgriechisch οὐτοπία, lateinisch Utopía) und die Aneignung der Welt durch die Gestaltung von Gegenstand und Raum, durch bauliche „Verortung“ (altgriechisch τόπος, lateinisch tópos) konkreter menschlicher Lebenstätigkeit in Architektur bilden einen klassischen dialektischen Widerspruch. Sie schließen einander kategorial aus. Schon deshalb, weil die architektonisch gestalteten räumlich-gegenständlichen Lebensbedingungen immobil sind, also stets generationsübergreifend tradiert werden und sich das gedankliche und gestalterische Überschreiten der Gegenwart so immer an vorhandener gebauter Lebenswelt reiben muss. Andererseits sind sie identisch und reproduzieren einander: Gesellschaftsutopie kommt fast immer als konkretistische Architekturphantasie daher und Bauen verspricht immer schon die Verwirklichung des eu-tópos, des glücklichen Ortes. Ohne konkrete Utopie keine humane Architektur, ohne gute Architektur kein befreites Leben. In dem Vortrag werden die Elemente des marxistischen Diskurses beleuchtet, um dann den Fragen nachzugehen, wie in der Geschichte des Staatssozialismus Utopie und Architektur ihre produktive Spannung verloren und wo heute ermutigende Ansätze auszumachen wären.