Utopischer Marxismus
Der Titel ist natürlich ein Widerspruch in sich. Es war ja gerade die Hoffnung des Marxismus, nicht utopisch zu sein, sondern als „wissenschaftliche Weltanschauung“ darauf verzichten zu können. Doch in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts wurde deutlich, dass sich der in der marxistischen ArbeiterInnenbewegung gepflegte historisch-materialistische Determinismus vor allem dazu eignete, die stalinistischen Schreckensherrschaft zu legitimieren. Und so entwickelte sich eine Form der Marxinterpretation, die versuchte, diesem Determinismus die utopische Fundierung der Marxschen Theorie entgegenzusetzen, die ihren Ausdruck in den Frühschriften fand. Der Vortrag wird einige der Personen und Gruppen vorstellen (u. a. Henri Lefèbvre, die Praxisphilosophie), die vor allem während der Systemkonfrontation im Kalten Krieg versuchten, das emanzipatorische Potential der Marxschen Theorie gegen Angriffe sowohl aus Ost wie auch aus West zu verteidigen. Unausweichlich wird dabei die Frage zu stellen sein, warum diese Ansätze scheiterten und heute meist vergessen sind. Im Gegenzug wäre dann aber auch zu fragen, ob es dennoch etwas an ihnen gab, das es wert wäre, in die Gegenwart gerettet zu werden.