Das Märchen vom ethischen Krieg
Die heutigen Kriege werden nicht mehr mit ökonomischen oder geopolitischen Interessen begründet, sondern als Zivilisationskriege, als säkularisierte heilige Kriege legitimiert. Der globale ethische Krieg will das „Böse“ auslöschen. Dabei rechtfertigen die reinen ethischen Ziele die schmutzigsten militärischen Mittel. Diese Logik der bewaffneten Vernunft, verbunden mit einem unbegrenzten Moralismus, maskiert ökonomische, energiepolitische und geopolitische Motive. Die kapitalistische Globalisierung ist notwendigerweise auch eine bewaffnete. Unter dem Mantel einer absoluten Ethik trägt der globalisierte Krieg den Keim der Auslöschung der politischen und kulturellen Vielfalt in sich und schafft eine neue Form des Totalitarismus. Denn der Humanismus der Eroberer und Herrschenden unterschied schon immer zwischen Über- und Untermenschen. Sollte im zweiten Golfkrieg angeblich noch die Souveränität Kuwaits verteidigt werden, so legitimierte die NATO den Jugoslawienkrieg mit moralischen und humanitären Imperativen. Der dritte Golfkrieg wurde mit dem illusorischen Ziel begonnen, einen demokratischen Irak aufzubauen. Der neue Diskurs der präventiven Kriege streifte den Begriff der Souveränität und damit die Zwänge des Völkerrechts ab. Der neue, dehnbare Begriff der Sicherheit ermöglicht es, militärische und polizeiliche Interventionen miteinander zu verbinden. Hinter dem Vorwand, den Schwachen zu ihrem Recht zu verhelfen, steht in Wahrheit die herrschende Moral, die das herrschende Recht abgelöst hat.